15.06.2021 21:00

Internationales Symposium zeigt Potenzial digitaler Bewegungsförderung auf


Das Internationale Symposium der ESAB Fachhochschule für Sport und Management Potsdam fand am 07. Juni 2021 unter dem Titel „Digitalisierung in der Bewegungs- und Gesundheitsförderung“ statt. Die Referenten und Teilnehmer:innen diskutierten das Potenzial von digitalen und virtuellen Bewegungsangeboten. Die Expert:innen verdeutlichten die Herausforderungen, Bewegungsangebote digital an unterschiedliche Zielgruppen anzupassen und gaben Tipps zur nachhaltigen Durchführung.

Über 170 Teilnehmer:innen fanden sich in der digitalen Tagungsumgebung ein und betrachteten mit den Referent:innen aus Deutschland und den Niederlanden den aktuell Forschungsstand. Vor dem Hintergrund, dass die Corona Pandemie den digitalen Wandel auch in der Sportwissenschaft und der Bewegungsforschung beschleunigt hat, wurden Ansätze und Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung zur Diskussion gestellt und wissenschaftlich hinterfragt.

Prof. Claudia Pischke von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf präsentierte in ihrem Vortrag die PROMOTE & RTC-Studie, deren Ergebnisse die individuellen und kontextuellen Anforderungen an (digitale) Bewegungsangebote bei Älteren festhält. Untersucht wurde dabei die Akzeptanz des Bewegungsprogramms ‚Fit im Nordwesten‘, einschließlich einzelner Programmkomponenten sowie Kontextfaktoren.

Prof. Dr. Michael Tiemann von der SRH Hochschule für Gesundheit aus Leverkusen gab in seinem Beitrag einen zusammenfassenden Überblick über Anzahl, Struktur, Ziele, Inhalte und Qualität vorliegender digitaler Bewegungsprogramme mit präventiver bzw. gesundheitsförderlicher Ausrichtung in Deutschland. Im Einzelnen stellte er hierzu die Ergebnisse einer Bestandsaufnahme sowie einer weitergehenden Struktur- und Qualitätsanalyse der identifizierten digitalen Bewegungsangebote vor. Sein Vortrag zeigt, dass digitale Bewegungsangebote insgesamt aufgrund ihres niederschwelligen Zugangs ein großes Potenzial besitzen, vielen Menschen Möglichkeiten zur Verbesserung und Erhaltung ihres Gesundheitszustandes zu geben.

Dr. Alexander Tallner von der FAU Erlangen-Nürnberg präsentierte die positiven Wirkungen von regelmäßiger körperlicher Aktivität und Training bei Patient:innen mit Multipler Sklerose. Ihm zufolge stellt die Bewegungstherapie zurecht eine zentrale Säule der symptomatischen Therapie im Rahmen rehabilitativer Maßnahmen dar. Nach der Rehabilitation jedoch stellen Patient:innen ihre körperliche Aktivität meist relativ schnell wieder ein und die Effekte der Rehabilitation bilden sich zurück. Neben einer sehr guten Akzeptanz der internetbasierten Betreuung zeigten sich in seinen Studien positive Effekte auf die Muskelkraft, Lungenfunktion und körperliche Aktivität. Bei einem Einsatz als internetbasierte Nachsorgeintervention nach stationärer Rehabilitation konnten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe die positiven Effekte der Rehabilitation auf Fatigue, Lebensqualität und Mobilität nicht nur während des dreimonatigen Nachsorgezeitraums, sondern auch über weitere 3 Monate aufrechterhalten und teilweise sogar ausgebaut werden.

M. Sc. Christian Leps vom Institut für Sportmedizin und Prävention an der Universität Leipzig erläuterte das Projekt gesuA (gesund-auf-Arbeit). Das Ziel von gesuA ist die Evaluierung eines verhaltensbezogenen, onlinebasierten Trainingsprogramms zur Verbesserung der körperlichen Aktivität und Fitness im Beruf und in der Freizeit bei Arbeitnehmer:innen mit Schwerpunkt sitzender Tätigkeit. Um die Interventionen der betrieblichen Bewegungsförderung zu bewerten, spielen objektive Messungen des Energieverbrauchs bzw. der körperlichen Aktivität im Beruf und in der Freizeit sowie der körperlichen Leistungsfähigkeit eine große Rolle.

Prof. Johan Pion und Wouter Hebbinck von der HAN University of Applied Sciences Nijmegen aus den Niederlanden stellten mit „Sportief Groot Worden“ ein Praxisbeispiel zur Bewegungsförderung bei Kindern vor, bei dem Kommunen, Schulen und Vereine zusammenarbeiten, um das Aktivitätslevel von Kindern und Jugendlichen festzuhalten, zu fördern und zu entwickeln.

Zu der abschließenden Podiumsdiskussion begrüßte Moderator Prof. Dr. Silvester Stahl alle Referent:innen und Podiumsgast Matthias Auth, Leiter des Bereichs Gesundheitsmanagement bei der AOK Nordost. Die Expertise aus der Praxis ergänzte und bestätigte die wissenschaftlichen Studienergebnisse: Die digitalen Bewegungsangebote leiden häufig unter mangelnder Theoriebasierung und fehlenden Qualitätskriterien. Zudem fehlt eine zuverlässige Evaluierung durch Begleitforschung. Dafür punkten sie mit großer Reichweite, niederschwelligem Charakter für Personen, die sich lieber allein bewegen und können vielfältige Angebote auch in ländlichen Regionen sicherstellen.

Symposiumsorganisator Prof. Dr. Lars Gabrys sieht es ähnlich: „Das Symposium und auch die Diskussion zeigt mir zum einen das Potenzial digitaler Bewegungsangebote hinsichtlich Reichweite, Individualität und neuer Zielgruppen. Zum anderen aber auch die hohen Anforderungen, die auf Entwickler und Anbieter zukommen. Ein einfaches Virtualisieren bestehender Präsenzangebote wird sicherlich nicht reichen. Es werden neue Standards und Konzepte entwickelt werden müssen. Ein sehr großes Potenzial sehe ich in hybriden Angeboten, da der Faktor Mensch gerade beim Thema Bewegung ein sehr zentraler ist.“